Newsletter
H-Jollen-News 5/06

Liebe H-Jollen-Freunde,
der Winter will nicht weichen, sodass vielerorts die Saisonvorbereitungen, was das Überholen und Lackieren unserer Boote angeht, ins Stocken geraten oder vielleicht noch gar nicht begonnen haben. Dabei scharren schon einige Eigner ungeduldig mit den Hufen und warten sehnsüchtig darauf, dass die Seen wieder eisfrei werden. Aber das kann noch dauern.
Trotzdem laufen die Vorbereitungen auf die anstehende Saison zumindest hinter den Kulissen schon auf Hochtouren, Regatten werden geplant und  - wie üblich - Yardstickwerte diskutiert. Und damit wäre ich bei dem Thema, das immer wieder in all den letzten Jahren hier und da für mehr oder minder starke Kopfschmerzen gesorgt hat. Angefacht wurde das Thema in diesem Frühjahr durch eine Diskussion mit den Eignern der uns so bekannten "Sommerliebe", die der Regattaleiter des Hamburger SC, Claus Dederke, nach Intervention des ehemaligen Chefvermessers des DSV, G. Ahlers, geführt hat, als er - in Maßen, aber immerhin - an der Yardstickschraube bei den klassischen, in Vollholz gebauten H-Jollen gedreht hat. Streitpunkt war das im Toppbereich der H 183, "Sommerliebe", extremer ausgestellte Großsegel, für das diese nun mit Punktabzug bestraft werden sollen.
Für mich Anlass, überhaupt einmal laut über das Thema nachzudenken und allen, die davon betroffen sind, die Möglichkeit zu geben, in dem Forum der Website der Klassenvereinigung unter www.h-jolle.net Stellung zu nehmen. Ich werde also meine Stellungnahme zu diesem Thema und die Antwort von Claus Dederke dort ins Netz stellen und somit Euch die Möglichkeit geben, mitzudiskutieren.


Jens Ruppert schrieb:
Mit Interesse habe ich die Startliste für die Känguru-Regatten 
studiert. Dabei hat es u.a. Veränderungen bei den H Jollen gegeben. 
Wie haben sich die H Jollen nun einzuordnen, also welches Schiff 
bekommt welche YS Zahl. Hast Du dafür bereits eine Liste ? Wenn ja, 
könntest Du Sie mir zukommen lassen. Ich würde mich über eine positive 
Antwort freuen und Grüße Dich herzlich aus Eppendorf.


Jens Ruppert antwortete: 
Ahoi Claus  
... und welche Nr. sind nun die "klassisch alten" und welche Nr. gelten als "neue Schnitte"?
Antwort von Claus Dederke:
Hallo Jens, 
die neuen Schnitte sind z.B. Dein Segel. 
Die Zuordnung der meisten Boote bleibt wie bisher, d.h., die (unter 107) sind nach oben korrigiert worden. Diese Boote bekommen ihren letztjährigen YS + 1. 
Günther Ahlers hatte bereits im letzten Jahr bemängelt, daß die alten Segelschnitte der B-H-J. dem neuen Schnitt deutlich unterlegen sind und man dieses mit min. 2 YS-Punkten nach unten korrigieren sollte. 
Da ich ihm nicht so ganz folgen wollte, habe ich lediglich 1 YS-Punkt daraus gemacht und die "klassischen alten" nach oben korrigiert. 

Michael Krieg schrieb: 
Lieber Claus, 
Habe mit Erstaunen Deinen Mailwechsel mit Jens Ruppert wegen des Segelschnittes erhalten und möchte nun auch noch meinen Kommentar dazu abgeben: 
Der liebe Günter Ahlers liegt in der Einschätzung der Dinge in unserem Fall völlig daneben. Der Segelschnitt bei den klassischen H-Jollen macht es beileibe nicht. Die Ergebnisse bei den verschiedensten Regatten haben es bewiesen. Klaus Leithner oder Joachim Ruppert mit ihren alten (?) Formen waren keinesfalls benachteiligt. Nein, für die Schnelligkeit, mehr Höhe usw. kommen ganz andere Dinge zum Tragen! Und das sollten alle, die sich ein bisschen mit der Materie befasst haben, eigentlich wissen. Da macht ein vielleicht etwas futuristisch aussehender Schnitt, wie wir ihn bei der "Sommerliebe" vorfinden, nichts aus. (Abgesehen davon, dass sich bei der Umschneiderei alle freuen, die davon profitieren: der Segelmacher, weil er was verdient und die Brüder, weil sie ja dann wieder ihre alte Yardstickzahl kriegen werden, oder?). 
Grundsätzlich - und da sollten die Puristen drüber nachdenken: Die H-Jolle ist seit 1923/25 Konstruktionsklasse/Grenzmaßklasse. Das heißt, Du kannst innerhalb der erlaubten Vermessungsbestimmungen aus- oder umrüsten, wie es Dir gefällt. Schon zu allen Zeiten unserer Geschichte gab es Boote, die besser, effektiver usw. ausgerüstet waren, als andere. In der DDR wurden schon in den 50er Jahren noch gaffelgetakelte H-Jollen mit Trapez (!) gesegelt. Im Westen gab es toppgetakelte H-Jollen mit fast 40 m2 großen Spies. Wo legst Du die Messlatte an? Darf jemand, der sich eine gebrauchte klassische H-Jolle gekauft hat, nur deshalb, weil er noch keine Klemmen vorgefunden hat, keine nachrüsten? Wer noch ein Baumwollgroß hat, sich kein Dacrongroß gönnen? Sich das Boot nicht so umgestalten, dass ein freudvolleres Segeln dabei rauskommt? Muss ich noch mit Blazer und Leinen-Bootsschuhen segeln, um mir eine Lungenentzündung zu holen, wenn es mal weht? Wo liegt die Grenze des Erlaubten/Geduldeten. Und wer bestimmt sie? G. Ahlers mit seinem "Klassiker" in moderner Bauweise bestimmt nicht. Auch wenn ich ihn und seinen Humor sehr schätze und mich freue, wenn er dabei ist! 
Nein, Geschwindigkeit und Höhe - und unsere Klasse hat die Möglichkeit, diese konstant zu verbessern - werden durch andere Kriterien erzielt: Holzschwert statt Eisen o. Alu (selbst Alu noch ein bisschen besser als Eisen), profilierte Ruderanlage statt Metallspaten, Größe Vorsegeldreieck (Maß J), Fock-Vorlieklänge, Wantenstellung, Gewicht des Rumpfes es gibt belegte Beispiele aus den 50er/60er Jahren, wo die Neubesitzer nach Vermessung und Ablieferung aus der Werft rangegangen sind, und ihren Rumpf gehobelt haben, um vielleicht 5 oder 10 kg zu sparen! Die letzten Kother-H-Jollen in Vollholz wurden mit Aluschrauben statt Kupfernieten gebaut und kamen auf knapp 200 kg (!) Vermessungsgewicht und fuhren allen um die Ohren), Form/Riss des Rumpfes, Gewicht der gesamten Spieren usw. 1961 gewann ein letztes Mal eine gaffelgetakelte H-Jolle die Deutsche Meisterschaft, zu einer Zeit, als im Süden schon 10 Jahre keine gaffelgetakelten Schiffe mehr bei Regatten waren, die hatten nämlich alles, was schwer war, schon rausgeworfen: Latten, Vorstagspiere usw. Und kamen die schwereren norddeutschen H-Jollen in den Süden, lagen sie bei leichteren winden hinten, und erlebten die leichteren Südschiffe im Norden schweres Wetter, lagen die hinten. 
Sei Dir gewiss, selbst bei den sog. Einheitsklassen findest Du - wenn es sich um Holzboote handelt (und selbst nicht nur da)-, nicht zwei gleiche Boote. 
Wir in unserer Truppe sind bemüht - es gelingt uns nicht immer - möglichst keinen zu bestrafen, der um- oder aufrüstet. Es sei denn, es werden eben die von mir angesprochenen elementaren Umrüstungen vorgenommen. Den Spieinsatz lassen wir dabei übrigens ganz außen vor, denn den wollen wir fördern und nicht durch Yardstickveränderung bestrafen! 
Wir lieben gerade deshalb unsere Klasse, weil sie uns immer wieder die Möglichkeit bietet, sich weiterzuentwickeln. Und das macht es gerade auch nach den Winterarbeiten immer wieder spannend, zu sehen, wer was und wie verändert hat. Und die Diskussionen um die YS-Zahlen werden auch bei uns nicht verebben. Und sind die Köpfe heiß diskutiert, freuen wir uns auf das gemeinsame kühlende Bier danach.

Antwort von Claus Dederke: 
Hallo Michael,                                    
ich glaube, die Diskussion geht ein wenig an der Sache vorbei. Es geht 
nicht darum, eine Klasse zu bestrafen. 
Wir segeln bei Känguru nach Yardstick, d.h., jeder Teilnehmer soll 
(zumindest theoretisch) die Chance haben zu gewinnen. Das funktioniert 
nur, wenn man den unterschiedlichen Booten nach ihrem Leistungsvermögen 
unterschiedliche Rennwerte verpasst. 
Um die Chancengleichheit für alle Känguru-Teilnehmer zu erhöhen, habe 
ich ein wenig an der Yardstickschraube gedreht, in fast allen Fällen 
zugunsten der H-Jollen. 
Auf der anderen Seite muss ich Günter Ahlers als den Mann mit der größten 
Erfahrung im Ausgleichsystem ernst nehmen und wäre schlecht beraten, 
nicht auf seine Argumente einzugehen. 
Am Beispiel aus der Dickschiff-Szene ist es ziemlich deutlich geworden: 
Werner Schulz (HSC) hat nach dem Sieg von Alinghi im Amerikas-Cup sich 
für seine Rainbow 42 (von der Rumpfkonstruktion durchaus mit einer 
H-Jolle zu vergleichen) ein neues Großsegel schneidern lassen in eben 
diesem Schnitt. Da sein Schiff IMS vermessen ist, wurde natürlich auch 
das Segel neu vermessen mit dem Resultat, dass er um 20 IMS-Punkte nach 
unten korrigiert wurde (schneller gerechnet). 
Gleiches ist mit allen anderen Schiffen passiert, die auf diesen 
Segelschnitt umgerüstet haben. 
Da ich zwar nicht selber IMS segele, aber auf allen möglichen 
Veranstaltungen IMS rechne, kann ich schon beurteilen, wann ein 
bestimmter Segelschnitt ein Schiff schneller machen kann. 
Das ein solcher Segelschnitt nicht unbedingt bei allen Windverhältnissen 
von Vorteil ist, liegt in der Physik begründet. Wenn ich den 
Segelschwerpunkt nach oben verlagere, habe ich bei stärkeren Winden 
Nachteile, dafür bei Leichtwinden klare Vorteile. 
Um bei dem obigen Beispiel zu bleiben, 20 IMS-Punkte entsprechen 
ungefähr 4 Yardstickpunkte. 
Wenn ich dann 1 Yardstickpunkt bei einer H-Jolle ansetze, sollte das 
zumindest ein Versuch sein, diesem Geschwindigkeitsvorteil bei den auf 
der Alster vorherrschenden leichten Winden gerecht zu werden. 
Bitte bedenke: ein Vergütungssystem wie Yardstick kann nicht bei allen 
Bedingungen gerecht sein, es kann nur versuchen, den Durchschnitt 
wiederzuspiegeln. 
Ich bin kein Yardstickguru, ich versuche nur, die Gegebenheiten 
einigermaßen realistisch einzuschätzen und hoffe damit ein wenig zur 
Klärung beigetragen zu haben. 
Gruß Claus 

In diesem Sinne - das Wetter sorgt noch für einen kühlen Kopf! - 
ein noch winterlicher Gruß, 
Euer Ob..., Michael Krieg

DHJV - Michael Krieg
Obmann für klassische H-Jollen
Löja 6
23715 Bosau
04527-1762 / 0160 919 458 40